Neuer Stichtag für den Vorsorgeausgleich bei Scheidung
Am 1. Januar 2017 trat eine Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) in Kraft. Die neuen Bestimmungen betreffen unter anderem den Vorsorgeausgleich bei der Scheidung (Teilung der Pensionskassenguthaben). Neu sieht Art. 122 ZGB vor, dass die während der Ehe bis zum Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens erworbenen Ansprüche der beruflichen Vorsorge auszugleichen sind. Demgegenüber waren gemäss bisherigem Recht die zwischen Eheschluss und Rechtskraft des Scheidungsurteils erworbenen Ansprüche zu teilen. Der Stichtag unter altem Recht trat also – was insbesondere bei langen Scheidungsprozessen ins Gewicht fallen konnte – später ein.
Die Übergangsbestimmungen zum neuen Recht halten in Art. 7d Abs. 2 des Schlusstitels (SchlT ZGB) betreffend berufliche Vorsorge fest, dass auf Scheidungsprozesse, die am 1. Januar 2017 bereits hängig waren, das neue Recht anwendbar ist. In der Folge entstand eine kontroverse Diskussion über die Frage, welcher Stichtag für bereits hängige Scheidungsverfahren gelten solle: Der 1. Januar 2017 (wofür sich die Mehrheit der Lehre ausspricht) oder aber das Datum der effektiven Einleitung des Scheidungsverfahrens (vor dem 1. Januar 2017), womit die Gesetzesänderung zu einer unter Umständen massiven Rückwirkung des neuen Rechts führen würde?
Mittlerweile sind diverse kantonale Urteile zu dieser Frage ergangen, wobei eine einheitliche Praxis nicht ersichtlich ist. In Luzern wurde kürzlich das erste Kantonsgerichtsurteil zu dieser Frage publiziert (LGVE 2017 II Nr. 9). In seiner ausführlichen Begründung kommt das Kantonsgericht zum Schluss, dass der Wortlaut von Art. 7d Abs. 2 SchlT ZGB klar sei und es keine triftigen Gründe gebe, davon abzuweichen. Die Entstehungsgeschichte der Norm, deren Sinn und Zweck sowie das Verhältnis zu anderen Bestimmungen sprechen gemäss Kantonsgericht allesamt dafür, dass Art. 122 ZGB auch auf bereits hängige Scheidungsprozesse angewendet werde. Mit anderen Worten wird der Stichtag in Verfahren, die am 1. Januar 2017 bereits rechtshängig waren, durch die Einleitung des Scheidungsverfahrens fixiert – nur die bis zu diesem Zeitpunkt erworbenen Ansprüche aus der beruflichen Vorsorge werden geteilt.
Ein höchstrichterliches Urteil des Bundesgerichts zu dieser Frage liegt noch nicht vor.
Melanie Friedrich, Rechtsanwältin und Notarin