Begünstigung des überlebenden Ehegatten

"Meine Frau und ich (beide 45-jährig) haben aus dem gemeinsam ersparten Geld eine Wohnung gekauft. Im Übrigen haben wir nur ein bescheidenes Vermögen. Was müssen wir unternehmen, damit im Falle des Todes eines Ehegatten der andere die Wohnung behalten kann? Wir haben zwei gemeinsame Kinder (10- und 12-jährig)."
Da Sie nichts Gegenteiliges geschrieben haben, gehe ich davon aus, dass Sie dem ordentlichen Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung unterstehen. Bei diesem wird das Vermögen der Ehegatten je in Errungenschaft und Eigengut aufgeteilt. In die Errungenschaft fällt insbesondere das während der Ehe aus Einkommen angesparte Vermögen. Zum Eigengut gehören Vermögenswerte, die man in die Ehe eingebracht hat oder die einem später unentgeltlich zufallen (Schenkung, Erbschaft).
Stirbt ein Ehegatte, erhält der andere von Gesetzes wegen aus Güterrecht die Hälfte der Errungenschaft des Verstorbenen. Die andere Hälfte der Errungenschaft sowie das Eigengut des Verstorbenen fallen in dessen Nachlass. Dieser Nachlass wird von Gesetzes wegen je zur Hälfte auf den Ehegatten und die Kinder aufgeteilt.
Wenn – wie in Ihrem Fall – die Wohnung den Hauptvermögenswert der Ehegatten darstellt, besteht die Gefahr, dass der überlebende Ehegatte die Wohnung verkaufen muss, um den Erbteil der Kinder auszahlen zu können. Das kann mit geeigneten Massnahmen verhindert werden.
Optimierungsmöglichkeiten
Am einfachsten ist es, wenn die Kinder beim Tod des ersten Elternteils freiwillig auf ihren Erbteil verzichten, so dass das ganze eheliche Vermögen dem überlebenden Ehegatten zufällt. Im Gegenzug verpflichtet sich der überlebende Ehegatte, die Kinder bei seinem Tod als Erben einzusetzen. Ein solcher Erbverzichtsvertrag zwischen den Eltern und Kindern bedarf der öffentlichen Beurkundung und ist erst möglich, wenn die Kinder volljährig sind – was bei Ihnen noch nicht der Fall ist.
Sie können die güter- und erbrechtlichen Ansprüche des überlebenden Ehegatten aber auch ohne Einbezug der Kinder vergrössern. In einem öffentlich beurkundeten Ehe- und Erbvertrag können Sie erstens vereinbaren, dass der überlebende Ehegatte die gesamte Errungenschaft erhalten soll. In den Nachlass fällt dann nur noch das Eigengut des Verstorbenen. Zweitens können Sie die Kinder auf den Pflichtteil setzen und dem überlebenden Ehegatten die verfügbare Quote zuwenden. Der Pflichtteil beider Kinder zusammen beträgt in Ihrem Fall 3/8 des Nachlassvermögens. Falls die derzeit hängige Erbrechtsrevision umgesetzt wird, verkleinert sich der Pflichtteil der Kinder auf 1/4 des Nachlassvermögens. Man kann zusätzlich vorsehen, dass die Kinder den Pflichtteil in Form eines Vermächtnisses erhalten. Damit verhindert man, dass die Kinder Mitglieder der Erbengemeinschaft werden und durch einen Teilungsbeistand (KESB) vertreten werden müssen, solange sie minderjährig sind.
Es gibt noch weitere Optimierungsmöglichkeiten, zum Beispiel die Einräumung einer Nutzniessung zugunsten des überlebenden Ehegatten. Man kann auch vorsehen, dass der überlebende Ehegatte zwischen verschiedenen Begünstigungsoptionen wählen kann. Es muss jeweils im konkreten Fall beurteilt werden, welches die beste Lösung ist.
Melanie Friedrich, Rechtswältin und Notarin
Folgender Beitrag erschien als Ratgeber Recht in der Surseer Woche vom 11. Juli 2019.