11. Oktober 2019 | Familie / Ehe / Partnerschaft

Verleiht das Erziehungsrecht der Eltern einen Anspruch auf "Homeschooling"?

Unter "Homeschooling" wird der private Unterricht der Kinder in den eigenen vier Wänden verstanden. Für das Schulwesen sind die Kantone zuständig. Entsprechend sind sowohl die Zulässigkeit des häuslichen Privatunterrichts an sich wie auch dessen Regelung von Kanton zu Kanton verschieden.

Das Bundesgericht hat sich bereits mehrfach mit dem häuslichen Privatunterricht befasst. In seinem Urteil vom 24. Mai 2011 (2C_738/2010) kam das Bundesgericht längst zum Schluss, dass der verfassungsrechtliche Anspruch auf Grundschulunterricht (Art. 19 der Schweizerischen Bundesverfassung [BV]) und die Aufgabe und Zuständigkeit der Kantone für einen ausreichenden Grundschulunterricht (Art. 62 Abs. 2 BV) keinen Anspruch auf "Homeschooling" gewähren.

Dem neuesten, zur Publikation vorgesehenen Urteil des Bundesgerichts vom 22. August 2019 (2C_1005/2018) lag die Beschwerde einer Mutter gegen den Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht zugrunde, welches ihr Gesuch auf Privatschulung für ihren Sohn abgelehnt hatte. Das Bundesgericht befasste sich in diesem Fall insbesondere mit der Frage, ob das elterliche Erziehungsrecht, welches unter den Schutz des Familienlebens (Art. 13 Abs. 1 BV und Art. 8 Ziff. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten [EMRK]) fällt, einen grundrechtlich geschützten Anspruch auf "Homeschooling" verleiht. Diese Frage wurde bisher noch nicht bundesgerichtlich entschieden.

Das Bundesgericht hielt zunächst fest, dass Eltern sich bei der Erziehung danach zu richten hätten, was für die Persönlichkeit und die Entwicklung des Kindes gut sei. Im Bildungsbereich stehe das Erziehungsrecht der Eltern indes unter dem Vorbehalt des kantonalen Schulrechts. Die Schule erbringe ihre Leistungen nicht im eigenen Interesse, sondern im Interesse der Schüler. Die dabei verfolgten Ziele würden in diesem Sinne Gesichtspunkte des Kindeswohls bilden, weshalb der Schulbesuch auch gegen den Willen der Eltern durchgesetzt werden könne. Ein "ausreichender Grundschulunterricht", wie in Art. 19 BV vorgesehen ist, müsse nicht nur schulisches Wissen vermitteln, sondern entwicklungsspezifisch auch die Fähigkeit der Schüler zum Zusammenleben in der Gesellschaft fördern.

Das Bundesgericht rief sodann in Erinnerung, dass das Schulbesuch-Obligatorium der Wahrung der Chancengleichheit aller Kinder diene und die Integration fördere. Durch "Homeschooling" könne die Integration der Kinder geschmälert werden. Wenn also mit dem häuslichen Privatunterricht eine soziale Isolation des Kindes einhergehe, könne der Anspruch auf ausreichenden Grundschulunterricht im Sinne von Art. 19 BV verletzt sein.

In der Folge hielt das Bundesgericht fest, dass weder das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) noch ein anderer Staatsvertrag einen Anspruch auf Privatunterricht verleihen würden. Das Bundesgericht folgerte, dass derzeit kein Anlass bestehe, gestützt auf Art. 13 Abs. 1 BV weiter gehende Ansprüche anzuerkennen, zumal das Erziehungsrecht der Eltern unter dem Vorbehalt des kantonalen Schulrechts und des Kindeswohls stehe. Folglich würden selbst sehr restriktive kantonale Regelungen des häuslichen Privatunterrichts wie jene des Kantons Basel-Stadt nicht gegen den in Art. 13 Abs. 1 BV verankerten Schutz des Privat- und Familienlebens verstossen. Ob bzw. in welchem Umfang "Homeschooling" zulässig sei, liege daher im Ermessen der Kantone, soweit sie die Mindestanforderungen (Art. 19 und Art. 62 Abs. 2 BV) einhalten würden.

Somit verleiht auch das durch Art. 13 Abs. 1 BV und Art. 8 Ziff. 1 EMRK geschützte Erziehungsrecht der Eltern keinen grundrechtlich geschützten Anspruch auf häuslichen Privatunterricht.


Julia Fischer-Steger, Rechtsanwältin