12. Dezember 2019 | Strafrecht / Strassenverkehr

Mit 170 km/h geblitzt – was nun?

"Ich war zu spät dran und bin auf der Autobahn zu schnell gefahren. Prompt wurde ich geblitzt. Ich hatte circa 170 km/h auf dem Tacho. Was droht mir nun?"

 

Es gibt eine Liste von leichteren Verkehrsdelikten, die mit einer Ordnungsbusse bestraft werden können. Wird diese bezahlt, ist die Sache erledigt. Alle anderen Verkehrsregelverletzungen lösen zwei Verfahren aus: Einerseits das Strafverfahren, in dem die Sanktion (Busse, Geldstrafe, Freiheitsstrafe) festgesetzt wird. Andererseits das Administrativmassnahmeverfahren, in dem über einen allfälligen Ausweisentzug entschieden wird.

Das Strafverfahren führt die Staatsanwaltschaft. Bei Geschwindigkeitsüberschreitungen wird zwischen einfachen, groben und qualifiziert groben Verkehrsregelverletzungen (sog. Raserfällen) unterschieden. Die Einteilung in diese Kategorien hängt hauptsächlich davon ab, um wie viel und wo (30er-Zone, innerorts, ausserorts, Autobahn) Sie zu schnell gefahren sind. Das Bundesgericht hat Leitlinien entwickelt, die in aller Regel gelten: Wer auf der Autobahn bis zu 25 km/h zu schnell fährt, kann im Ordnungsbussenverfahren bestraft werden. Wer zwischen 26 und 34 km/h zu schnell fährt, begeht eine einfache Verkehrsregelverletzung, ab 35 bis 79 km/h liegt eine grobe Verkehrsregelverletzung vor und eine Überschreitung von 80 km/h oder mehr ist ein Raserfall.

Eine einfache Verkehrsregelverletzung wird mit Busse bestraft. Eine grobe Verkehrsregelverletzung ist mit Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht. Bei Raserfällen muss eine Freiheitsstrafe zwischen einem und vier Jahren ausgesprochen werden. Im Gegensatz zu Bussen werden bei Geldstrafen Ihre finanziellen Verhältnisse stärker einbezogen. Während Bussen immer bezahlt werden müssen, können Geld- und Freiheitsstrafen bedingt ausgesprochen werden. Bedingt bedeutet, dass die Strafen nur vollzogen werden, wenn Sie innert der festgesetzten Probezeit wieder ein Delikt begehen.

Parallel zum Strafverfahren wird das Administrativmassnahmeverfahren eröffnet. In den meisten Kantonen, so auch im Kanton Luzern, ist das Strassenverkehrsamt dafür zuständig. Ob Ihnen der Führerausweis entzogen wird, hängt von der Schwere der Widerhandlung und davon ab, ob Sie in der Vergangenheit schon verwarnt wurden oder Ihnen der Ausweis entzogen war. Die Verkehrsregelverletzung wird auch hier in drei Kategorien eingeteilt, nämlich leichte, mittlere und schwere Widerhandlungen. Diese sind nicht deckungsgleich mit den Kategorien im Strafverfahren.

Trotz verschiedener Kategorien und Behörden sind die beiden Verfahren nicht unabhängig voneinander. Die Administrativbehörde ist in der Regel an den Sachverhalt gebunden, wie ihn die Strafbehörde festgestellt hat. Einwände sollten deshalb dringend bereits im Strafverfahren geltend gemacht werden.

Ohne insbesondere die genaue Geschwindigkeitsüberschreitung sowie frühere Verkehrswiderhandlungen zu kennen, ist keine exakte Aussage zu den drohenden Konsequenzen möglich. Sicher kann Ihr Fall nicht mehr im Ordnungsbussenverfahren erledigt werden. Im Strafverfahren ist von einer groben Verkehrsregelverletzung auszugehen, womit Ihnen vermutlich – falls Sie keine Vorstrafen haben – eine bedingte Geldstrafe droht. Das Strassenverkehrsamt dürfte von einer schweren Widerhandhing ausgehen, womit Sie mit einem Ausweisentzug von mindestens drei Monaten rechnen müssen. Eine exakte Beurteilung der Konsequenzen und Erfahrungen kann Ihnen ein im Straf- und Strassenverkehrsrecht erfahrener Anwalt nach Einsicht in die Akten abgeben.



Reto Rickenbacher, Rechtsanwalt


Folgender Beitrag erschien als Ratgeber Recht in der Surseer Woche vom 12. Dezember 2019.

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