03. März 2020 | Arbeitsrecht

Arbeitsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit dem Coronavirus / COVID-19

Das Coronavirus (COVID-19) verbreitet sich auch in der Schweiz zunehmend, die Zahl der Ansteckungen steigt. Arbeitgeber und Arbeitnehmer stellt das Virus vor zahlreiche Fragen. Ein paar davon werden nachstehend beantwortet.
 

Was sind die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers im Zusammenhang mit dem Coronavirus?
Der Arbeitgeber ist aufgrund des Weisungsrechts und der Fürsorgepflicht berechtigt und verpflichtet, die erforderlichen und geeigneten Massnahmen zum Schutz von Arbeitnehmern und Kunden zu ergreifen. Dabei ist zu beachten, dass das Coronavirus offenbar ähnlich einer gewöhnlichen Grippe durch Tröpfchen- oder Schmierinfektion übertragen wird. Zur Vermeidung einer Ansteckung muss der Arbeitgeber deshalb insbesondere über grundsätzliche Hygienemassnahmen informieren, etwa über regelmässiges Händewaschen, Niesen bzw. Husten in die Armbeuge oder in ein Taschentuch sowie das Vermeiden des Händeschüttelns. Die Arbeitnehmer können beispielsweise mit Aushängen am Arbeitsplatz oder mit E-Mails an diese Pflichten erinnert werden. Je nach Betrieb und Situation können auch weitere Massnahmen wie z.B. das Durchführen von Telefonbesprechungen bzw. Videokonferenzen anstelle von persönlichen Besprechungen oder Homeoffice anstelle der Büroarbeit angeordnet werden.

Muss der Arbeitgeber den Lohn weiter bezahlen, wenn er die Arbeitnehmer nach Hause schickt?
Wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmer aus eigenem Anlass (aus Angst vor dem Ansteckungsrisiko) nach Hause schickt, ist er verpflichtet, den Lohn weiter zu bezahlen. Die Arbeitnehmer müssen sich aber auf den Lohn anrechnen lassen, was sie wegen Verhinderung an der Arbeitsleistung einsparen oder durch anderweitige Arbeit erworben haben.

Kann der Arbeitgeber einseitig Zwangsferien anordnen, wenn er die Arbeitnehmer nach Hause schickt?
Das Gesetz gibt dem Arbeitgeber das Recht, Ferientage anzuordnen und stellt klar, dass die betrieblichen Interessen im Zweifel den persönlichen Interessen der Arbeitnehmenden vorgehen. Im Gesetz nicht geregelt ist die Frage der Ankündigungsfrist. Als Faustregel gilt eine Ankündigungsfrist von drei Monaten, wenn der Arbeitgeber einseitig längere Ferien anordnet. In dieser ausserordentlichen Situation müssen unseres Erachtens die Arbeitnehmer aufgrund ihrer Treuepflicht auch kurzfristige Anordnungen über den Bezug von einzelnen Ferientagen akzeptieren, wenn die Arbeitnehmer beispielsweise noch einen Ferienüberhang des Vorjahres aufweisen und so die üblichen Ferien nicht tangiert sind.

Muss der Arbeitgeber den Lohn weiter bezahlen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer staatlichen Anordnung zu Hause bleiben muss?
Ist der Arbeitnehmer nicht selbst erkrankt, sondern kann aufgrund einer grossflächigen staatlichen Anordnung (Reiseverbot, Quarantäne, Ausgangssperre, etc.) nicht zur Arbeit erscheinen, kommt die Lohnfortzahlung nicht zur Anwendung. Dies, da die Ursache der Abwesenheit nicht in der Person des Arbeitnehmers selbst liegt.

Kann der Arbeitgeber die Durchführung eines Tests anordnen?
Die Forderung des Arbeitgebers nach einem Test könnte unter Umständen, je nach Stelle bzw. Funktion des Arbeitnehmers, zulässig sein. Die praktischen Hindernisse (beschränkte Zahl der Tests, kein Anrecht auf Test ohne Krankheitszeichen) dürften letztlich die grösseren Hürden darstellen.

Was sind die Pflichten des Arbeitnehmers?
Die Arbeitnehmer trifft aufgrund der Treuepflicht unseres Erachtens bezüglich des Coronavirus eine Mitteilungs- und Auskunftspflicht. Sie müssen ihrem Arbeitgeber deshalb beispielsweise mitteilen, ob sie Ferien in Risikoländern verbracht haben oder planen, aber ihn auch über Kontakt mit erkrankten Personen informieren. Auf diese Pflichten sind Arbeitnehmer mit Vorteil hinzuweisen.

Kann der Arbeitnehmer aus Angst vor einer Ansteckung zu Hause bleiben?
Der Arbeitnehmer hat die Pflicht, die vertraglich übernommene Arbeit zu leisten. Deshalb ist der Arbeitnehmer nicht berechtigt, der Arbeit aufgrund einer eigenen Einschätzung fern zu bleiben. Ansonsten könnte er jeden Winter aus Angst, an einer saisonalen Grippe zu erkranken, zu Hause bleiben. Tut er es dennoch, trifft den Arbeitgeber keine Lohnfortzahlungspflicht. Zudem könnte dem Arbeitnehmer eine Verwarnung oder sogar eine Entlassung wegen ungerechtfertigter Arbeitsverweigerung drohen.

Darf der Arbeitnehmer eine Geschäftsreise in ein vom Coronavirus betroffenes Gebiet verweigern?
Dem Interesse des Arbeitgebers am ungestörten Fortgang der Geschäfte, wozu auch Geschäftsreisen gehören, stehen die gesundheitlichen Interessen des betroffenen Arbeitnehmers gegenüber. Es besteht aus Sicht der Arbeitnehmer sicherlich ein Interesse daran, bestimmte Orte zu meiden, an welchen im Vergleich zur Schweiz eine grössere Ansteckungsgefahr besteht. Solange das EDA für den Zielort der Reise jedoch keine Reiserestriktionen erlässt, besteht wohl kein ausreichender Grund für die Verweigerung von Geschäftsreisen an diese Orte.

Was gilt, wenn der Arbeitnehmer in den Ferien ist und das Hotel aufgrund eines Coronavirus-Falls nicht verlassen kann?
Der Arbeitnehmer trägt das Risiko, rechtzeitig für die Arbeit von den Ferien zurückzukehren. Dasselbe gilt beispielsweise auch, wenn er etwa wegen eines Streiks der Airline nicht zurückfliegen kann. Der Arbeitnehmer hat also für die aufgrund dieser Umstände verursachte Abwesenheit keinen Anspruch auf Lohn.

Was gilt für den Fall, dass Kindertagesstätten, Kindergärten oder Schulen wegen des Coronavirus geschlossen werden und Arbeitnehmer die Kinderbetreuung übernehmen müssen?
Bekanntlich wird die Pflege erkrankter Kinder durch die Eltern als Lohnfortzahlungsgrund qualifiziert. Im Falle einer Schliessung einer Kindertagesstätte, des Kindergartens oder von Schulen zur Verhinderung der Ausbreitung des Virus handelt es sich um ein objektives (allgemeines) Leistungshindernis. Solche allgemeinen Leistungshindernisse führen aber nicht zu einer Lohnfortzahlungspflicht. Das hat das Arbeitsgericht Zürich im Jahr 2010 bei der Schweinegrippe entschieden.


Raetus Cattelan, Rechtsanwalt und Fachanwalt SAV Arbeitsrecht
Daniela Jost, Rechtsanwältin